Lemminge in der Grünen Hölle bei Rad am Ring
Lemminge in der Grünen Hölle bei Rad am Ring
Nürburgring, 26.07. – 28.07.2019
-Bericht von Stefan Reschwamm, Bilder von Sportograf–
26 km, 92 Kurven und 560 Höhenmeter – Das sind die nackten Zahlen einer Runde über die Grand Prix-Strecke und die Nordschleife, die bei Rad am Ring gefahren wird. Wie oft? Das hängt von der Veranstaltung ab. Für Fabian Weick standen 3 Runden beim 75 km Jedermann-Rennen an, für mich ging es im 4er-Team mit Freunden aus der Heimat beim 24h Rennen über insgesamt 9 Runden.
Im Folgenden eine kurze Chronologie der Ereignisse in der grünen Hölle:
Freitag – Anreise
Nach Ankunft unseres 4er-Teams am Nürburgring wurde zunächst das Team-Camp bestehend aus drei Zelten und einem Pavillon aufgebaut. Nachdem sich alle soweit eingerichtet hatten, ging es zum Einfahren ein paar Runden auf die Grand Prix-Strecke, die Nordschleife war aufgrund des Zeitfahrens noch gesperrt. Bei netten Nachbarn, sommerlichen Temperaturen, Grills und Kaltgetränken kam im Fahrerlager schon etwas Festival-Stimmung auf, mit Blick auf das anstehende Rennen ging es dann aber für die meisten doch recht früh ins Bett.
Samstag & Sonntag – Race Day
Durch die Anreise am Vortag begann der Samstag entspannt mit einem Frühstück, dem Vorbereiten der Räder und der Team-Taktik-Besprechung. Der Plan war, nach jeder Runde den Fahrer zu wechseln, sodass bei einer Rundenzeit von ca. einer Stunde jeder mindestens 6 Runden fahren kann. Mittags starteten dann die Rennen, zunächst die Jedermann-Rennen über 150 km, 75 km und 25 km gefolgt von den 24h-Rennen für Rennrad und MTB.
Da ich erst für die zweite Runde beim 24h-Rennen eingeteilt war, konnte ich Fabian in seinen ersten zwei Runden noch anfeuern, wobei es nicht so leicht war den Lemming in der großen Gruppe ausfindig zu machen. Sichtlich erschöpft von der anspruchsvollen Strecke beendete er sein Rennen auf dem 101. Platz (23. AK).
Das 24h-Rennen begann mit einer Überraschung, als unser Fahrer das Feld anführend als Erster an unserem Zelt vorbeischoss. Die Führung war allerdings nur von kurzer Dauer, was bei Profis wie Paul Voß und Johannes Fröhlinger im Feld aber auch nur verständlich ist. Nach einer schnellen ersten Runde ging es dann auch für mich im fliegenden Wechsel auf die Strecke.
Die Runde führte zunächst durch die Fan-Kulisse entlang der GP-Strecke, bevor es dann auf die Nordschleife ging. Auf den ersten 7 km bekam ich das Grinsen bei den kurvigen Bergab-Passsagen mit Rennstreckenasphalt nicht mehr aus dem Gesicht. Höhepunkt dieses Streckenabschnitts ist sicherlich die Fuchsröhre, in der man bei guten Bedingungen bis zu 100 km/h auf dem Tacho stehen hat. Nach der Abfahrt wartete dann allerdings die besagte Hölle auf mich. Die nächsten 5 km ging es nämlich fast durchgehend bergauf zur Hohen Acht, teilweise mit 17%-Rampen. Nachdem dieser Teil geschafft war, folgte eine Achterbahnfahrt mit Abfahrten und Gegenanstiegen, die mich schnell zurück zur GP-Strecke führte, wo ich an unseren nächsten Fahrer übergab.
Fazit nach der ersten Runde: Etwas überpaced, aber selten so viel Spaß auf einer Radstrecke gehabt! Also schnell etwas Essen, die Beine hochlegen und für die nächste Runde ausruhen. So kann es weitergehen.
Ging es aber leider nicht. Das anfänglich sehr gute Renn-Wetter schlug im Laufe des Tages zunächst in Schauer und dann in Dauerregen um, sodass die erste Runde auch die einzig trockene Runde blieb. Regen, Nebel und später dann auch Dunkelheit führten zu teilweise grenzwertigen Fahrbedingung und somit auch zu vielen Stürzen. Unseren 3. Fahrer erwischte es dann auch in seiner 2. Runde. Er selbst blieb zum Glück weitestgehend unversehrt, sein Rad konnte jedoch selbst vom teaminternen Mechaniker nicht repariert werden. Da saßen wir dann zu Dritt in unserm Pavillon, schauten uns an und jeder wusste genau, was der andere denkt: „Zu Dritt, bei dem Wetter… Das wird hart“. Aber niemand sprach es aus und somit war klar, Aufgeben ist keine Option.
Von da an waren Rundenzeiten zweitrangig und das oberste Ziel, das Rennen ohne weitere Ausfälle zu Ende zu fahren. Mit verkürzten Pausenzeit begann eine der anstrengendsten Nächte meines Lebens, die wir nur mit viel Nudeln, Riegeln, Gels und noch mehr Teamgeist überstanden haben. So fuhren wir im Dreier-Wechsel mit höchstens einer Stunde Schlaf zwischen zwei Runden bis ca. 6 Uhr morgens durch die Nacht. Da die Strecke nicht beleuchtet ist und das Wetter weiterhin schlecht blieb, dienten hauptsächlich die Rücklichter der anderen Fahrer als Orientierung auf der Strecke. Die größte Überwindung kostete es allerdings aus dem warmen Schlafsack wieder in die nassen, kalten Radklamotten zu steigen. Allerdings wurde einem nach ein paar Metern auf dem Kurs direkt wieder so warm, dass man anfing eine Schicht nach der anderen wieder auszuziehen.
Als ich nach meiner 6 Uhr-Runde im Dauerregen an unser Camp kam, wartete die nächste Überraschung auf mich – oder vielmehr wartete sie nicht dort, denn meine Ablösung lag noch schlafend im Zelt. Nach kurzer Abstimmung war klar, ich fahre noch eine zweite Runde, sodass die Teamkollegen noch etwas länger Pause haben. Dafür durfte ich mich danach aber auch etwas länger ausruhen, da auch unser 1. Fahrer eine Doppelrunde einlegte.
Zu dieser Zeit begann dann trotz eigentlich zurückgestellter Ambitionen aber doch wieder das Rechnen, wie viele Runden wir noch schaffen können und ob eventuell sogar eine Top-100-Platzierung möglich wäre. Vom Veranstalter wurde kommuniziert, dass jeder, der vor 12:15 Uhr über Start/Ziel fährt, noch eine letzte Runde bis 13:30 Uhr fahren darf. Kurz gerechnet – Das war schaffbar. Also legten wir uns am Ende nochmal richtig ins Zeug, sodass ich die vorletzte Runde um kurz vor zwölf beendete. Zurück am Zelt gab es dann nochmal eine kurze Teambesprechung. Niemand war wirklich scharf drauf noch eine Runde zu fahren, aber wir hatten uns so gut durchgekämpft, dass es zu schade gewesen wäre, die Runde verfallen zu lassen. Abgesehen davon, dass man bei dem Startgeld wirklich jede Minute auf der Strecke ausnutzen muss. Also einigten wir uns darauf, dass ich noch eine Runde fahre, während die anderen schonmal das Camp abbauen. Das Wetter zeigte sich mit Starkregen nochmal von seiner besten Seite, sodass ich auch die letzte Runde nur so halb genießen konnte.
Am Ende reichte es trotz Ausfall für insgesamt 25 Runden und damit für Platz 106 von 653 bei den 4er-Teams, womit wir alle sehr zufrieden waren. Kleine Notiz am Rande: Der erste und zweite Einzel-Fahrer sind auch jeweils 25 Runden gefahren, die besten 4er-Teams 32 Runden… Da wäre also noch Luft nach oben.
Fazit
Rad am Ring ist eine richtig coole Veranstaltung bei der für jeden ein Rennen dabei ist, sei es das Zeitfahren, ein Jedermann-Rennen über verschiedene Distanzen oder das 24h-Rennen alleine oder als Team auf dem Rennrad oder dem Mountainbike. Hier könnte man auch mal mit einem oder mehreren Lemming-Teams das Fahrerlager und die Strecke unsicher machen. Wenn man trotz Müdigkeit, Anstrengung und miesem Wetter noch so eine Menge Spaß haben kann und bereits am nächsten Tag nach 12 Stunden Schlaf und mit schweren Beinen das Comeback plant, dann sagt das eigentlich alles.